Liebevolle Grenzen setzen - 3 Tipps inspiriert von “Nein aus Liebe” (Jesper Juul)

Liebevolle Grenzen setzen

Viele Eltern sind heutzutage regelrecht verunsichert, welcher Weg der für sie richtige und passende ist. Welches Erziehungskonzept soll es denn nun sein? Antiautoritär? Bedürfnisorientiert? Oder vielleicht doch lieber streng und diszipliniert, so wie früher? Fragen, die sich unweigerlich aufdrängen, wenn es daheim mal wieder drunter und drüber geht.

Das Buch „Nein aus Liebe: Klare Eltern – Starke Kinder“ des dänischen Familientherapeuths Jesper Juul kann dir wertvolle Impulse für deine Erziehungsarbeit geben. In diesem Blog-Artikel möchte ich dir die Kerngedanken daraus erläutern und dir dazu Tipps mit auf den Weg geben, wie du diese in 3 praxisnahen Schritten im täglichen Kontakt mit deinen Kindern einfließen lassen kannst.

Bild vom buch "Nein aus Liebe" von Jesper Juul

Bedürfnisse und Wünsche unterscheiden

Viele von uns wissen in erster Linie, was sie nicht in der Erziehung wollen. Wir wissen, dass wir es anders machen wollen. Wer besonders streng erzogen wurde, neigt dazu bei den eigenen Kindern nachgiebig und inkonsequent zu handeln. Aber… kann ich meinem Kind denn das dritte Eis wirklich verbieten, obwohl es so bitterlich weint? Kann ich ihm verweigern in meinem Bett zu schlafen, obwohl ich selber dann kein Auge nachts zumache? Sollte ich Nein sagen, wenn mein Dreijähriges immer und überall gestillt werden möchte, wenn es das Bedürfnis nach Nähe verspürt? Das wäre doch herzlos und so gar nicht an den drängenden Bedürfnissen meines Kindes orientiert, oder?!

Eltern tendieren dazu, aus Liebe zu ihren Kinder über persönliche Grenzen zu gehen. Besonders Frauen tappen sehr häufig in die Fürsorglichkeitsfalle und wollen es allen rechtmachen. Dass das auf Kosten ihrer eigenen Bedürfnisse und Kraft geht, sehen sie meist zu spät. Sie reiben sich im Familienalltag auf, vernachlässigen die eigenen Bedürfnisse und merken obendrein, dass auch die Kinder trotz der vielen Freiheiten gar nicht so glücklich und ausgeglichen wirken.

Man weiß inzwischen, dass Neugeborene immer sofort gefüttert werden sollten, wann immer sie es brauchen. Punkt. Man weiß inzwischen, dass schon kleine Kinder gehört und in ihren Gefühlen ernst genommen werden wollen. Punkt. Wo aber fängt eine richtige und wichtige Bedürfnisorientierung an und ab wann ist es eine Selbstaufgabe der Eltern?

Hier setzt Jesper Juul an. Er differenziert zunächst einmal den Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen. Nähe, Fürsorge, Sicherheit, Anerkennung, Empathie, Nahrung, Kleidung und Schlaf zählen demnach zu den elementaren Grundbedürfnissen. Diese zu gefährden, ist einer Straftat gleichzusetzen. Alles, was über die Grundbedürfnisse hinausgeht, sind als Wünsche zu sehen. Nur dazu darf man Nein sagen. Zu beachten ist außerdem, dass bei Säuglingen und sehr kleinen Kindern Wünsche und Bedürfnisse Dasselbe und somit zu erfüllen sind.

Weniger geht es Juul darum, dem Kind Vorwürfe zu machen und ihm Grenzen zu setzen, als die eigenen individuellen Grenzen zu benennen. Denn um ihre soziale Kompetenz entwickeln zu können, müssen Kinder lernen und spüren, wo die Grenzen und Bedürfnisse anderer liegen.

„Ein Mensch, der sich nicht abgrenzen kann, ist wie Obstgarten ohne schützenden Zaun, aus dem sich jeder nach Lust und Laune bedienen kann.“ Jesper Juul

Ehrlich und authentisch mit Kindern sprechen

Ein Ja ist eine einfache Antwort. Ein Nein erfordert mehr Kraft, Aufwand und Durchsetzungsvermögen. Und nicht jedes Ja von uns ist ehrlich. Manchmal sagen die Erwachsenen Ja aus Bequemlichkeit, um sich kurz beliebt zu machen oder um einen Konflikt zu vermeiden. Dabei sind sie frustriert und die Kinder erleben keine ehrliche Antwort – etwas läuft schief in der Beziehung und in der Kommunikation.

Kinder haben laut dem Familientherapeuten aber das Recht, authentische Menschen in deren Umfeld zu erleben. Er schildert in seinem Buch die Definition einer persönlichen Sprache, mit der wir uns an das Kind richten sollen. Diese Sprache wird erst dann persönlich, wenn sie ehrlich und authentisch ist. Pädagogen sind demnach keine 100-prozentig authentischen Menschen, da sie ein Arbeitsverhältnis zu den Kindern haben und sich in Bezug auf Nähe, Distanz und eigenen Bedürfnissen an entsprechende Vorgaben halten müssen.

Juul kritisiert zudem Eltern, die sich gezwungen positiv ausdrücken wollen oder eine pseudo-pädagogische Sprachen nutzen. Das Wissen darum, dass die Eltern meinen, was sie sagen, und sagen, was sie meinen, sei eines der besten und langlebigsten Geschenke, das wir unseren Kindern machen können, sagt er.

„Ein liebevolles und authentisches Nein zu deinem Kind, ist ein Ja zu dir. Ein Ja zu mehr Selbstfürsorge und Selbstliebe, woraus wir als Eltern Kraft schöpfen können.“

3 Tipps für euren Familienalltag

Das Erkennen eurer eigenen Grenzen ist der erste Schritt für eine verbesserte Kommunikation mit deinen Kindern. Ebenso sollten diese das Recht darauf haben, dass ihr Nein Gehör findet. Mit Geduld, Konsistenz und Ausdauer lässt sich das Familienklima und die Eltern-Kind-Beziehung deutlich verbessern.

  1. Feedback und Wiederholung: Damit deine Kinder eure Moralvorstellungen verinnerlichen können, brauchen sie deutliche Aussagen und eine ständige Wiederholung davon. Nur durch dieses Feedback in Form von wiederkehrender Bestätigung oder Begrenzung, lernen sie die Werte und Grenzen der Eltern zu erkennen. Sie können dadurch die Welt begreifen und später ihre eigenen Werte finden.

  2. Geduld statt Schimpfen: So schwer es auch manchmal scheint, umso wichtiger ist es Geduld zu haben, anstatt zu schimpfen. Das ist laut Juul bei Erwachsenen nicht anders. Denn je angespannter und negativer ein Lernumfeld ist, desto dümmer und ungeschickter fühlen wir uns und desto länger dauert es, etwas Neues zu lernen. Dabei ist es hilfreich, Kinder mehr als Forscher, denn als Schüler zu betrachten.

  3. Körperliche Warnzeichen erkennen: Häufig können Erwachsene, wie auch Kinder, ihr Unbehagen nicht verbalisieren. Kinder, deren Nein nicht gehört oder ernst genommen wird, entwickeln laut Juul “verhaltensspezifische und psychosomatische Signale und Symptome“. Der Körper übernimmt in diesem Fall die Aufgabe und sagt Nein in Form von Kopf- und Bauchschmerzen, Schwindel, Konzentrationsproblemen und anderen Symptomen, die ernst genommen werden sollten.

Bonus-Tipp

4. Trotzphase als Geschenk: Laut Juul ist die sogenannte Trotzphase bei kleinen Kindern regelrecht ein Geschenk an die Eltern. Denn das Kind wünscht sich mehr Selbständigkeit und Autonomie, was für die Eltern wiederum eine Erleichterung für die Zukunft bedeutet. Generell sollte man beachten, dass Kinder jeden Alters, die in besonderem Maße auf ihre Autonomie bestehen, das gleiche Bedürfnis nach Nähe und Fürsorge haben, wie alle anderen Kinder auch. Sie nehmen ihre Grenzen sehr Ernst und möchten über Zeit und Umfang einer Aufgabe bestimmen. Als Erwachsene sollten wir daher unaufdringlich Hilfe anbieten, uns aber jegliche Erklärungs-, Motivations- und Manipulationsversuche verkneifen und die Kinder in ihrer Eigenart akzeptieren.

Zusammenfassend stelle ich fest: Wie Jesper Juul schon hervorragend im Titel beschreibt, werden Kinder gestärkt, durch ein Nein aus Liebe und klar positionierte Eltern, die sich ihrer eigenen und der Grenzen ihrer Kinder bewusst sind. Ein wunderbares und spannendes Lernfeld für uns alle, finde ich!

Habt ihr das Buch gelesen und die Tipps ausprobiert? Haben sie geholfen? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen!

Herzlich,

Camille

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